21.10.11 18:15 Uhr Vereinsheim München
Im kalten Kriegsjahr 1983 hatte Ronald Reagan eine große Idee: Ein lasergestützter »Raketenschutzschirm« sollte die interkontinentalen Atomwaffen, deren Anflug aus dem »Reich des Bösen« der amerikanische Präsident jederzeit erwartete, ganz einfach per Lichtstrahl zu kleinen schwarzen Krümeln zerbröseln. Kritische Strategen waren von Reagans Strategic Defense Initiative wenig begeistert: Sie machten sich Sorgen, Mr. President könnte hinter dem Schutzschirm in vermeindlicher Sicherheit auf die dumme Idee kommen, selbst den roten Knopf zu drücken – was er 1984 als kleinen Scherz bei der Mikrofonprobe einer Pressekonferenz auch gleich einmal ankündigte.
Wer heute beobachtet, wie sich honorige Bankiers in der Deckung ihrer branchenspezifischen Schutzschirme verhalten, wird rückblickend solche Bedenken sicher verstehen. Allerdings waren Helmut Kohl und Martin Bangemann damals vom ersten Tag an Feuer und Flamme. Was manchen erstaunte, schließlich wohnten sie in Deutschland auf der falschen Seite des Raketenschilds.
Aber selbst der Beistand des geistig-moralischen Wendekanzlers und seines obersten Handy-Lobyisten konnten – nebst reichlichen Dollarmilliarden – die große Idee nicht zum Erfolg führen. Weshalb sich die beiden Supermächte auch weiterhin nackt, aber schwer bewaffnet gegenüberstehen und sich mittels der verbindlichen Zusicherung gegenseitiger Vernichtung (unter Fachleuten übrigens als Mutual Assured Destruction, aka MAD bezeichnet) zur Einhaltung elementarer Umgangsformen ermahnen.
Grund genug, in der Vorlesung »Die Physik des Scheiterns« einmal einen Blick auf Raketen und Abschreckungstheorien zu werfen. Und natürlich auf den Laser selbst, der nach Jahrzehnten friedlichen Flackerns im CD-Player plötzlich zum Kriegsheld werden sollte. Als Gastreferentin ließ sich diesmal Sonja Herbert, Leiterin des Philosophischen Kolloquiums der Freien Universität Schawabing gewinnen. Sie präsentierte unter dem Titel »Dein Tun tangiert mich nicht – Die Zwecklosigkeit des Handelns am Beispiel der Sowjetunion nach Beginn der Strategic Defense Initiative« die frustrationsphilosophischen Konsequenzen im Sisyphos’schen Sinne, die eine per gegnerischem Laserschild zur Super-Ohn-Macht degradierte Atommacht zu tragen hätte.
Sonja Herbert – Leiterin des Philosophischen Kolloquiums der Freien Universität Schwabing